Schafzüchter Andri Casty führt eine Biogas-Anlage in Zuoz, aus Abfall entsteht hochwertiger Öko-Strom! Erna Romeril, Artikel in der Engadiner Post vom 31.12.2015:
Ausser dem schwarzen Gummi-Ballon auf dem Fermentier-Gehäuse deutet auf dem Bauernhof der Familie Casty nichts darauf hin, dass hier jährlich fast 2000 Tonnen organische Abfälle Strom für 40-50 Haushalte liefern. Beim Besuch in der Engadiner Biogas-Anlage „ForzAgricula“ in Zuoz wurde dann aber schnell klar, wieviel unterirdischer Stauraum, Technik und Fingerspitzengefühl nötig sind, um dieses Ziel auch zu erreichen.
Andri Casty führt den elterlichen Bauernbetrieb in zweiter Generation und hat diesen in den letzten Jahren auf bemerkenswerte Weise diversifiziert: nebst dem Haupterwerb der Schafhaltung, leben auf dem Hof auch Schweine, Pferde, Esel und Hühner. Seit Dezember 2007 wird auf dem Hof Pundschermaun dank einer modernen Biogas-Anlage und den Solarzellen auf dem Dach zusätzlich auch Öko-Strom produziert, welches direkt in das Stromnetz der Repower eingespiesen wird.
Aus Mist, Gülle und Gastroabfälle ...
„In unserer Biogas-Anlage könnten wir prinzipiell alle biologischen Stoffe verwerten. Wir vergären jedoch vor allem Mist von unserem eignen Betrieb, Grünabfälle des nahe gelegenen Golfplatzes, Gülle von den umliegenden Bauernhöfen und Gastroabfälle von 88 Hotels und Restaurants im Oberengadin“, so Andri Casty bei einer Anlagebesichtigung. Sobald er Zahlen nennt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn man kann sich fast nicht vorstellen, wie so viel organisches Material von diesem relativ kleinen Betrieb gesammelt, verwertet und wieder entsorgt wird. In der Hochsaison wandern täglich bis zu 2000 kg Küchenabfälle, 3000 Liter Gülle und 2500 kg Mist und Grünabfälle durch Casty`s Biogasanlage. Da die Menge der Abfälle, sowie der Gastro- wie auch der Gülle- und Mistmengen, saisonal stark schwanken, musste Andri Casty in den ersten zwei Jahren einiges herumtüfteln, um seine Anlage das ganze Jahr hindurch auszulasten. Denn, im Fermentier-Turm, in welchem das Gärgut eingefüllt wird, leben abertausende von Mikroben, welche das Material zersetzen und verwerten. „Am wichtigsten ist ein ausgewogenes Gär-Substrat mit dem richtigen Mischungsverhältnis der drei Bestandteile Feststoffe, Gülle und Küchenabfall. Diese Mischung muss ein ideales Umfeld für unsere fleissigen Helfern, den Mikroben, bieten, damit sie gesund und produktiv bleiben“, so Casty weiter. Je gesünder und gefrässiger die Mikroben Kultur, desto besser wird die Gärmasse verwertet, sprich Gas erzeugt.
... wird hochwertiger Öko-Strom
Die Biomasse, die elektronisch gesteuert kontinuierlich oben im Gärturm eingefüllt wird, wandert während der Vergärung langsam nach unten. In den obersten 1.5 Meter befinden sich 90% der Mikroben, hier findet auch die Freisetzung des Gases durch Umwandlung von Ammoniak in Methan statt, welches sich dann unter dem dehnfähigen Ballon sammelt. Beim Absinken der Masse wird diese immer mikroben-freier, weil verwertet, und sauberer. Nach 62 Tagen kommt der sogenannte Gärrest unten an und wird automatisch in ein Lagerbecken geschoben. Dieser Gärrest ist inzwischen vollständig frei von Ammoniak und wird deshalb von den Bauern gerne wieder abgeholt und zur Wiesendüng verwendet. Es beinhaltet trotz Fermentation noch alle Nährstoffe und ist wegen des fehlenden Ammoniaks angenehm geruchsfrei.
Das freigesetzte Methan hingegen wird vom Ballon zu einer Turbine geleitet, welche das Gas in Strom umwandelt und es direkt in das Stromnetz der Repower einspeist. Dieser Strom wird dann als Ökostrom angeboten und verkauft.
Andri Casty kann mit Stolz behaupten, dass er aus organischem Abfall, das sonst nicht weiterverwertet werden würde, 250 000 Kilowatt Strom pro Jahr erzeugt. Etwas weniges davon wird für den Betrieb und Beheizung der Biogas-Anlage gebraucht, der Grossteil geht jedoch direkt in das Stromnetz.
Mit Erstinvestitionen von 1.5 – 1.7 Millionen Franken war das Errichten der Biogas-Anlage sehr hoch; doch Dank einer Abnahmegarantie der Repower, den erzeugten Öko-Strom zu einem vereinbarten Preis für eine Dauer von 20 Jahren abzunehmen, konnte Casty das Risiko auf ein vertretbares Niveau minimieren. „Nach etwa 12 Jahren sind die Kosten amortisiert und ab dann sollte ein Gewinn möglich sein“, meint Andri Casty. Der Verschleiss der Anlage ist jedoch enorm und die Turbinen, Zerkleinerer und Propeller müssen kontinuierlich ersetzt werden. Auch die Sicherheitsvorschriften sind rigoros und die Vorgaben müssen bis ins kleinste Detail eingehalten werden.
Trotzdem lächelt Casty und meint verschmitzt, dass diese Anlage eigentlich nichts anderes als ein grosser Kuh-Magen sei. Diese Wiederkäuer machen nämlich genau das Gleiche mit dem gefressenen Grünfutter, nur entlassen diese das Methangas ungenutzt ins Freie...